Du sollst JETZT schlafen…!

unterwegs mit Kindern und Hund

 

Kennt ihr das: ihr wisst exakt, wie die Dinge zu laufen haben – nur die Kinder scheint das nicht zu interessieren. Und während man selbst immer weniger locker bleibt, schaukelt sich das Ganze hoch.

Oft gelingt es mir, einen Schritt zurück zu treten und das Ganze von außen zu betrachten. Mit ein wenig Abstand relativiert sich viel. Doch es gibt Tage, da stecke ich knietief in der Mütterfalle. So wie heute.

Der Kleinkindmann ist nach dem Mittagessen schon völlig übermüdet. Normalerweise macht er keinen Mittagsschlaf mehr, aber heute ist klar: so schafft er es nie im Leben bis zum Abend.

Also mache ich das, was ich in so einer Situation immer tue: mir das Baby ins Tragetuch und den Kleinkindmenschen in den Kinderwagen setzen und mit dem Hund eine große Runde spazieren gehen. Vorzugsweise über holprige Steine, dann schläft der Kleine innerhalb von Minuten.

unterwegs mit Kindern und Hund

unterwegs mit Kindern und Hund

Nur heute nicht! Ich laufe und laufe. Der Knirps hält sich mit allen Mitteln wach. Mit letzter Kraft singt er alle Lieder der Spielgruppe heute. Er erzählt Geschichten. Er spielt mit dem mitgenommenen Schraubschlüssel, kommentiert jede Pinkelpause des Hundes und hält Ausschau nach Vögeln.

„Jetzt schlaf doch ENDLICH!“ sagt die eine Stimme in meinem Inneren. „Jetzt mach dich mal locker und genieße die Hunderunde. Ist doch egal, ob er schläft“, sagt die andere.

Ich spüre, wie ich mit jedem zurückgelegten Meter angespannter werde. Die „jetzt schlaf doch ENDLICH-Stimme“ wird lauter. Nur den Kleinkindmann interessiert das nicht. Er plappert weiter munter vor sich hin.

Loslassen hilft

Wir sind auf dem Rückweg, keine zehn Minuten mehr von unserem Haus entfernt. „Jetzt brauchst du auch nicht mehr einzuschlafen“, denke ich angesichts eines entgegenkommenden Hundes. Ich befürchte aufgrund der Hundegröße (ja, ich weiß: nicht alle Kleinsthunde sind Kläffer 😉 ) eine lautstarke Begegnung. Da wäre der Kleine eh wieder wach. Außerdem sind wir ja sowieso gleich daheim.

Ich spüre, wie sich mein Körper schon beim Denken dieses Satzes entspannt. Mir wird erst in diesem Augenblick bewusst, wie sehr ich unter Strom stand. Wie sehr nicht nur mein Kopf, sondern mein ganzer Körper auf das „du sollst JETZT!“ fokussiert waren. „Jetzt schläft er bestimmt“, denke ich und grinse. „Jetzt stehe ich ihm nicht mehr im Weg.“

So ist es dann auch. Schon einige Meter vor der Begegnung mit dem anderen Hund hat mein Sohn sich zur Seite gedreht und die Augen geschlossen. Behutsam schiebe ich seine kleinen, kalten Hände in den Fußsack des Kinderwagens und setzte nachdenklich meinen Weg fort.

Ganz plötzlich muss ich an den „Kleinen buddhistischen Erziehungsberater“ von Sarah Napthali denken. Ein äußerst lesenswertes Buch, das ich schon ewig nicht mehr in der Hand hatte. Napthali beschreibt darin das „Anhaften“ – das krampfhafte Festhalten an den eigenen Vorstellungen, anstatt zu akzeptieren, dass die Dinge ihren eigenen Lauf nehmen und im Fluss sind. „Wir sind, was wir denken“ ist eine ihrer Kernthesen.

Der Weg ist das Ziel

Auf eine sehr eindrucksvolle Weise hat mein kleiner Sohn mir heute genau das gelehrt. Er hat mir ins Gedächtnis gerufen, dass mit ein bißchen mehr Gelassenheit und Ruhe, vieles möglich ist. Dass ein „ich will aber“ viel seltener zum Ziel führt als ein „du darfst“.

Ich durfte heute erkennen, was passiert, wenn man nur das Ziel vor Augen hat und nicht den Weg.

Zukünftig werde ich wieder den Weg genießen können: den glücklich schnüffelnden Hund, das gut gelaunt plappernde Kleinkind, den schnarchenden Babysohn an meiner Brust, die Natur und den Wind. Ich werde wieder im Moment leben und im Jetzt sein. Ich werde akzeptieren können, dass nicht immer alles nach meinen Plänen läuft und darauf vertrauen, dass trotzdem alles einen guten Lauf nimmt.

Danke lieber Sohn für diese Lektion zum Thema Achtsamkeit. Sie war nötig.

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*