„Aua, Mama!“ – wenn Kinder ihr Leid klagen

Auch Kommunikaton will gelernt sein

 

Ein Café irgendwo im Rheinland. Eine Frau sitzt mit ihrem knapp zweijährigen Sohn am Tisch und wartet auf Cappuccino und Waffeln. Alle zwei Minuten (mindestens!) schallt ein lautes und sehr herzzerreißendes „AUA!“ durch den Raum, das alle anwesenden Personen aufhorchen lässt. Sie stecken die Köpfe zusammen und überlegen. Haben Mitleid und schwanken zwischen „sofort den Kinderschutzbund einschalten“ und „doch noch mal eine Runde genauer hinschauen“. Glücklicherweise schauen sie dann nur.

Auch Kommunikaton will gelernt sein

Auf MICH. Denn besagte Person bin ich. Die, die immer so einen auf bedürfnisorientiert macht. Die Kinder begleiten will und nicht dran ziehen. Genau diese Frau sitzt also da und spürt all die vorwurfsvollen Blicke. Weil: irgendwas ja schon dran sein muss, wenn ein Kind ständig „aua“ schreit. Weil er das ohne Grund sicher nicht tun würde. Und weil die Frau ihrem Sohn sicher fürchterlich weh tut und ganz offensichtlich total etwas im Argen ist mit den beiden.

 

Frust muss raus

 

Natürlich ist irgendwas im Argen. Der Kleine wartet frustriert auf seine Waffel, möchte nebenbei das Café umgestalten und nutzt das stärkste ihm bekannte Wort, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das funktioniert. Immer. Er weiß das.

Plötzlich muss ich zurückdenken an eine alte Spielgruppenbekanntschaft, die mir früher immer ihr Leid klagte. Weil auch sie ein „Aua-Kind“ hatte und ihr das Ganze unsagbar peinlich war. Damals sah ich das Problem nicht. Konnte doch jeder sehen, dass sie ihrem Sohn nicht weh tat. Dass sie häufig nicht mal in Reichweite ihres Kindes war. Dass der Kleine diesen Ausruf eben für sich entdeckt und beschlossen hatte, ihn inflationär zu nutzen.

Nahezu alleswissend erklärte ich ihr damals, dass „aua!“ eben eine immense Wirkung hat. Jeder zuckt zusammen. Jeder horcht auf. Jeder schaut. Mehr Aufmerksamkeit geht kaum. „Ein kluges Kind hast du da“, fasste ich das Verhalten des Jungen zusammen. Nicht wissend, dass mich das Thema irgendwann einholen würde.

Klarer Fall von:

 

„Hochmut kommt vor dem Fall“

 

An guten Tagen erkenne ich, dass mein kleiner Sohn nach Worten ringt und selbst ganz hilflos ist. Dass er – immerhin! – diesen einen Weg gefunden hat, um seinem Unmut Luft zu machen. Und ich, wenn ich genau hinhöre, durchaus verstehe, was er mir mitteilen will. Denn, genau so, wie eben jedes „da“ eine andere Bedeutung haben und „Hund“, „Kuchen essen“ „dorthin gehen“ oder „schau mal“ heißen kann, reicht die Bandbreite von „Aua“ auch von „ich will meine Schuhe nicht anziehen“ bis hin zu „wann kommt die blöde Waffel endlich“. An guten Tagen schaffe ich es, hinzuhören und meinem Sohn verbal die Hand zu reichen. Indem ich Zwiesprache halte mit ihm und frage, wo genau der Schuh drückt.

An weniger guten Tagen bin ich einfach nur ratlos, wie ich mit dem Thema und der damit verbundenen Peinlichkeit umgehe. Proaktiv? (Neeeein, ihm tut nix weh. Der sagt das immer nur so #issklar). Mit Sarkasmus? Oder soll ich mir am Ende doch einfach ein passendes Sprücheshirt drucken lassen?

Vermutlich muss ich das Ganze aussitzen und darauf setzen, dass auch mein kleiner Sohn irgendwann dazu in der Lage sein wird, seine komplexe Gefühlsweilt differenziert auszudrücken. Mich daran freuen, dass er Mittel und Wege gefunden hat, sich trotz eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeiten mitzuteilen. Und die damit verbundene Peinlichkeit als Lektion in Sachen Demut sehen. Weil ich erst jetzt verstehe, was meine Bekannte damals bewegt hat. Und sie statt guter Ratschläge jemanden gebraucht hätte, der einfach nur zuhört.

Kennt ihr das Problem? Wie geht ihr damit um?

 

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