Ich habe heute wieder nix geschafft

 

Wieder einmal haben sich Leute über unseren Vorgarten beschwert – offenbar erwartet man von den Bewohnern eines ehemaligen Pfarrhauses mehr als das, was wir hier bieten.

Meistens ist mir das egal – aber es gibt Tage, da treffen mich diese Äußerungen. Dabei geht es mir weniger darum, dass ich besagte Leute doof finde (in der tat: das tue ich!) oder mich die Vorwürfe persönlich kränken (das tun sie mitunter, je nach Tagesform).

Meistens geht es mir dabei um etwas ganz anderes: auch ich hätte gerne einen schönen, vorzeigbaren Vorgarten: mit farblich aufeinander abgestimmten Blumen und angelegt mit so viel gärtnerischem Geschick, dass ständig etwas blüht. Auch ich träume von einem Vorgarten, der sich durch das gänzliche Fehlen von Unkraut auszeichnet und rund ums Jahr einfach einen schönen Eindruck vermittelt. So instagrammäßig halt. Ihr kennt das ja…

Während ich mir anfangs tatsächlich noch ein bißchen Mühe gegeben habe, ist unser Vorgarten spätestens seit der Schwangerschaft mit Nr. 4 sich selbst überlassen. Ich schaffe das nicht, ehrlich. Nicht auch noch das!

Rational weiß ich, dass es sinnvoll ist, Abstriche zu machen im Alltag. Und trotzdem nagt eine innere Stimme in mir. „Eigentlich solltest du noch…“ ertönt es da ganz vorwurfsvoll. Ich nicke seufzend. Es gibt so vieles, das ich eigentlich noch mal eben tun sollte. „Später kümmere ich mich drum!“, nehme ich mir vor. Das entlastet wenigstens mein Gewissen. Kurzfristig zumindest.

 

Überraschungen vom letzten Jahr

 

„Mama, was sind das für hübsche Blumen?“, fragen mich nur wenig später meine auf der Dachterrasse spielenden Kinder. Ich muss nachdenken. Diese Blumen sehe ich zum ersten mal. Ich kann mich nicht erinnern, sie gesäht oder gepflanzt zu haben. Dieses Jahr sowieso nicht. Denn für die Dachterrasse gilt das selbe wie für den Vorgarten (mit dem Unterschied, dass die lieben Kirchgänger sich darüber nicht das Maul zerreißen. Sie sehen das Ding einfach nicht so gut).

2016-07-22 14.24.52

Beim Betrachten der Blätter bekomme ich eine leise Ahnung… „Ich glaube, Kinder, das sind Möhren. Die vom letzten Jahr. Die, die wir leider vergessen haben, zu ernten.“

Die Kinderbande ist entzückt. Auch ich verweile staunend vor den Möhrenblüten, bevor mich – wieder einmal an diesem Tag – Selbstvorwürfe einholen.

Abends dann muss ich an unseren Vorgarten denken, den ich selbstredend noch immer nicht in Schuss gebracht habe. Und an die Dachterrasse. Ich denke an die Wäsche in den beiden Körben, die immer noch nicht zusammengefaltet ist. Und an das Telefonat mit dem Kinderarzt, das seit drei Tagen schon auf meiner To-do-Liste steht.

„Heute habe ich wieder nix geschafft“, sage ich resigniert zu mir selbst und nehme mir vor, wenigstens morgen dann mal ein paar Dinge auf die Reihe zu kriegen. Da schreit eine Stimme in meinem Kopf laut „NEIN!“ und lässt mich aufhorchen.

 

Ein überraschendes Resumee

 

Ich halte inne. Denke nach. Habe ich wirklich heute nichts getan?

Ich habe:

  • Frühstück für vier Kinder gemacht und zwei Brotdosen individuell gefüllt – so, dass die beiden Schulgänger glücklich mit dem Inhalt sind. (Ja, keine Sternchenbrote, keine Wraps, keine Joghurts mit Herzchenmarmelade und auch keine Gurkenscheiben in Raumschiffform. Ich lasse die Nörgelstimme in mir heute erst gar nicht zu Wort kommen. Das, was wesentlich ist, habe ich gemacht.)
  • die Windeln gewechselt (acht mal, wenn ihr es genau wissen wollt)
  • Wäsche gewaschen und aufgehängt (zwei Maschinen) und zusammengelegt (eine Maschinenfüllung)
  • die zwei Kleinen morgens an- und zwei mal umgezogen
  • Kinder getröstet
  • Streit geschlichtet
  • ein aufgeschlagenes Knie verarztet
  • den Hund spazieren geführt (3 mal)
  • Münder abgewischt und Hände gewaschen
  • zwei mal Mensch Ärgere Dich Nicht gespielt (und verloren)
  • Lotti Karotti nach den Spielregeln meines Zweijährigen gespielt (und ebenfalls verloren)
  • drei Bilderbücher vorgelesen
  • eingekauft im Supermarkt, im Drogeriemarkt und auch im Buchladen
  • Hausaufgaben kontrolliert
  • ganz viel zugehört: von den Erlebnissen in der Schule, den Sorgen und auch schönen Erlebnissen der Kinder.
  • mein Baby gestillt (7 mal) und herumgetragen (5 Stunden)
  • neben dem Stillen noch drei Pixibücher vorgelesen und mich mit auf mir schlafendem Baby auf dem Sofa liegend ausgeruht
  • eine Starwarskarte gesucht (und gefunden!)
  • das Mittagessen gekocht, später auch einen Obstteller gestaltet und ein Abendessen zubereitet
  • das Baby gefüttert und dem Kleinkindmenschen das Essen klein geschnitten
  • morgens und abends den Hund und die beiden Katzen gefüttert
  • ein Waschbecken geputzt
  • Bonbonpapier vom Sofa eingesammelt
  • eine von den Katzen angeschleppte Spitzmaus entsorgt
  • den Nachmittag auf dem Spielplatz verbracht
  • dem Kleinkindmann sieben mal die Sandalen angezogen (ausziehen kann er mittlerweile selber)
  • abends dann den Kleinkindmann und das Baby zu einem letzten Spaziergang mit dem Hund mitgenommen, während dem beide Kinder einschliefen
  • im Anschluss den beiden großen Kindern Geschichten vorgelesen, ein mal Zähne nachgeputzt und die Großen ins Bett gebracht – wohlgemerkt alles mit Baby vor dem Bauch.Das sitzt da immer noch in der Trage, weil es ohne Körperkontakt nicht schlafen mag.
  • …wahrscheinlich noch viel mehr getan, aber vergesen, was es im Einzelnen war. Autopilot eben, ihr kennt das vielleicht (jedes mal Naseputzen kann man sich ja nicht merken, oder?)

 

Nein, ich habe nicht nix gemacht. Das kann man nun wirklich nicht so sagen.

 

Ich merke, wie ich wütend werde. Auf mich, weil ich so oft kleinrede, was ich hier Tag für Tag leiste. Und auf die anderen. Diejenigen, die glauben, mir Vorwürfe wegen unseres Vorgartens machen zu können und meinen, ich käme meinen Pflichten nicht nach.

Ihr täuscht euch nämlich, werte Nörglerinnen und Nörgler! Ich mache den ganzen Tag irgendwas und kümmere mich. Nicht um den Vorgarten, ihr habt recht. Sondern um das, was wirklich zählt: vier Kinder!

Irgendwann werden die vier groß sein. Irgendwann werden sie ihr Fleisch selbst klein schneiden, eine Toilette benutzen oder eigenständig ihre Schuhe anziehen können. Irgendwann wollen sie nicht mehr in den Schlaf begleitet oder ein Buch nach dem anderen vorgelesen bekommen. Irgendwann wird also auch wieder mehr Zeit sein für anderes. Vorgärten zum Beispiel. Sofern ich dann nicht lieber ein Buch lese oder nähe.

Ich nehme einen Stift und beginne zu schreiben. Nicht die geplante To-do-Liste, sondern einen Zettel für die vorbeilaufenden Kirchgänger.

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Morgen hänge ich den Zettel an den Baum vor unserem Haus. Wenn ich dazu komme. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Wirklich wichtig ist das nämlich alles nicht.

Zufrieden und mit mir selbst versöhnt, gehe ich mit dem Babysohn vor meinem Bauch ins Bett. Da liege ich dann und höre den beiden Zwergen beim schlafen zu. Ich denke an die beiden Großen, die in ihren Zimmern liegen und an all das, was der kommende Tag uns bringen wird. Ich denke an das große Glück, so viel Zeit mit meinen vier Kindern haben und so viel Nähe erleben zu dürfen. Und an die wunderschönen Möhrenblüten, die ich nur habe entdecken können, weil die Gartenarbeit zu den Dingen gehört, die hier zu kurz kommen.

„Dinge dürfen gerne mal zu kurz kommen“, denke ich beim einschlafen, „nur Menschen nicht.“

 

Kennt ihr das auch? Das Gefühl, mal wieder nichts geschafft zu haben? Den Blick nur auf die Dinge zu richten, die noch dringend erledigt werden müssen und nicht auf das, was jeden Tag geleistet wird? Wie geht ihr damit um? Oder habt ihr Tipps, dem Tag ein paar Stunden hinzuzufügen (ich wär interessiert! 😉 )

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